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Das Leben feiern

Ein Nach­ruf auf Fir­men­grün­de­rin Agnes Schnit­ger

Noch vor weni­gen Tagen hielt ich es nicht für mög­lich, dass ich heu­te die­sen Bei­trag ver­fas­sen wür­de. Dass ein Mensch so plötz­lich und so lei­se aus dem Leben schei­det, wie ein Blatt im Herbst sanft vom Baum segelt. Jemand, des­sen Stim­me Ande­ren so viel Wär­me und Lebens­freu­de spen­den konn­te, plötz­lich ver­stummt. 

Agnes Schnit­ger stand ungern im Mit­tel­punkt, wes­halb die­ser Nach­ruf eben­falls lei­se sein soll. In mei­nen Wor­ten möch­te ich stell­ver­tre­tend für die Men­schen spre­chen, die von Agnes berührt waren, die sie schätz­ten und gern hat­ten. Und für die, zu deren Advo­ka­tin sie durch ihr uner­müd­li­ches Enga­ge­ment wur­de. Den Betag­ten, den Pfle­ge­be­dürf­ti­gen, den Men­schen mit Demenz.

2018 hat­te Agnes Schnit­ger ihren Ambu­lan­ten Pfle­ge­dienst „Hil­fe und Pfle­ge“ in Klos­ter Oese­de, mit dem Agnes-Schnit­ger-Haus um einen Lebens­traum erwei­tert. Von den Leh­ren der nie­der­län­di­schen Pfle­ge­wis­sen­schaft­le­rin Cora van der Kooij inspi­riert, war Agnes zu der Über­zeu­gung gekom­men, dass sie die Lebens­qua­li­tät von Men­schen mit Demenz in der rich­ti­gen Umge­bung und mit der rich­ti­gen Betreu­ung deut­lich ver­bes­sern konn­te. Sie woll­te ein Refu­gi­um schaf­fen, in dem Betrof­fe­ne ohne Sedie­rung, ohne Bevor­mun­dung und ohne Zwän­ge ihr Leben auch nach der Dia­gno­se noch fei­ern konn­ten. 

Größt­mög­li­che Bewe­gungs­frei­heit, eine stüt­zen­de Gemein­schaft und die bio­gra­fie­ori­en­tier­te Betreu­ung soll­ten den Gäs­ten im Agnes-Schnit­ger-Haus all das bie­ten, was her­kömm­li­che Pfle­ge­ein­rich­tun­gen oft nicht leis­ten kön­nen. Da alte Fir­men­na­me „Hil­fe und Pfle­ge“ reprä­sen­tier­te das neue Kon­zept jedoch nicht. Des­halb wur­de ein neu­er Name erschaf­fen. Ein Name, der die Freu­de über ein gutes Leben in sich trägt: Vivo­Mea.

In kur­zer Zeit ent­wi­ckel­te sich Vivo­Mea zum Syn­onym für her­vor­ra­gen­de Pfle­ge und Betreu­ung von Men­schen mit Demenz im Raum Georgs­ma­ri­en­hüt­te. Der lebens­be­ja­hen­de Umgang im Agnes-Schnit­ger-Haus konn­te unge­wöhn­li­che Erfol­ge erzie­len – die Fir­men­grün­de­rin wur­de zur bekann­ten Ver­tre­te­rin der Mäeu­tik. 

Über ihre Arbeit bei Vivo­Mea hin­aus, unter­rich­te­te Agnes Schnit­ger in zahl­rei­chen Unter­neh­men, Insti­tu­tio­nen und Ein­rich­tun­gen, im Jahr 2022 war sie Mit­grün­de­rin des 12-mona­ti­gen Kurs „Fach­kraft zur Betreu­ungs­pfle­ge“. Uner­müd­lich setz­te sie sich dafür ein, das Men­schen mit Demenz nicht ent­mün­digt wer­den und brach­te vie­le Zweif­ler zum Umden­ken. Nicht nur wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie kämpf­te sie gegen Vor­schrif­ten in der Pfle­ge­bran­che, die ihrer Mei­nung nach einen tie­fen Ein­griff in die Selbst­be­stim­mung der Betrof­fe­nen dar­stell­ten. 

Agnes Schnit­ger war eine star­ke Per­sön­lich­keit, die sich im Ein­satz für ihre Prin­zi­pi­en auch unbe­liebt machen konn­te. Die kei­ne Angst vor Obrig­kei­ten zei­gen woll­te, sich als Advo­ka­tin für die Wür­de der Pfle­ge­be­dürf­ti­gen oft selbst zu wenig Ruhe gönn­te. Die erst durch die Krebs­dia­gno­se ein paar Gän­ge zurück­schal­te­te, den Din­gen auch mal ihren Lauf lies und im Unter­neh­men auf die rich­ti­gen Part­ner zäh­len konn­te. Die Inha­ber­schaft von Vivo­Mea hat Agnes auf ihren jüngs­ten Sohn Timm über­tra­gen – Heim­lei­te­rin Michae­la Nie­mann sorgt zusam­men mit dem gan­zen Team wei­ter­hin im Sin­ne des mäeu­ti­schen Pfle­ge- und Betreu­ungs­kon­zep­tes für das Wohl­erge­hen der Gäs­te.

Die Grün­de­rin von Vivo­Mea ist von uns gegan­gen. Doch ihre See­le ist geblie­ben.

Agnes Schnit­ger, geb. Schul­te
* 29. Janu­ar 1955 
† 6. Febru­ar 2025