Gerrit Hentschel ist der Typ Mensch, den man sich als großen Bruder wünscht. Jemand, der zuhört, tröstet, mitfiebert und einem auch mal aufmunternd auf die Schulter klopft, wenn es sein muss. Seit er die Lehren des Mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodells anwendet, kann er sein großes Herz endlich Gewinn bringend in seinem Arbeitsalltag einsetzen.
Über einen Menschen, der seine (pflegerische) Arbeit gerade neu erfindet
Nein, das Mäeutische Pflege- und Betreuungsmodell nach Cora van der Kooij kannte Gerrit Hentschel nicht, als er sich bei VivoMea auf einen Arbeitsplatz bewarb – er war und ist ein intuitiver Charakter, der sich beruflich gerne auf sein Einfühlungsvermögen verlässt. Doch seine Begegnung mit diesem spektakulären, von einer Pflegewissenschaftlerin entwickelten Betreuungsmodell, hat seine Sicht auf seinen Beruf umgekrempelt.
Aus einer anderen Pflegeeinrichtung kommend, hat der junge Vater von zwei kleinen Kindern die problemorientierte Sichtweise der Pflegefachwelt mitgebracht. Von einer Demenz betroffene Personen versuchte man dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich möglichst umgänglich verhalten und war sich ihrer Geschichte oft gar nicht bewusst. Man behandelte ihren körperlichen Zustand und nahm ihren fortschreitenden geistigen Dämmerzustand als unumkehrbar hin.
Mit der Arbeitsaufnahme bei VivoMea gingen plötzlich Fragen einher, die der Pflegerische Leiter sich so noch nie gestellt hatte: wie wäre es, das Verhalten von Menschen mit Demenz aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten? Was, wenn man sie bestärkt, statt sie zu bremsen? Sie integriert, statt sie ruhig zu stellen? Sie konfrontiert und fordert und ihnen Empathie entgegen bringt – und dabei ganz viel über sich selbst lernt?
Die Mäeutik hat meine Sichtweise verändert
„Dank der Mäeutik kann man professionell ausdrücken, was man im Bauch fühlt“, sagt Gerrit Hentschel und trifft den Nagel auf den Kopf. Mäeutik ist Wissenschaft – ein wundervolles Werkzeug, um unbewusstes Denken und Verhalten mit Bewusstsein zu durchdringen. Doch neben dem Fachwissen braucht es auch starkes Einfühlungsvermögen und den Willen, über sich selbst hinaus zu wachsen.
Während seiner Arbeit bei VivoMea hat Gerrit Hentschel seine Perspektive von dies ist ein kranker Mensch zu dies ist ein Mensch verschoben und dabei gelernt, wie positiv sich ehrliche Kommunikation auf das Miteinander auswirkt. „Früher habe ich mich oft verstellt“, sagt er „und nun erlebe ich, wie ich mit Hilfe der Mäeutik viel wertschätzender und offener mit den Menschen interagieren kann und mich selbst dabei endlich authentisch fühle. Ich sehe mein Gegenüber auf Augenhöhe, kann mich auf ihn einlassen, aber auch mal selbstbestimmt Grenzen setzen, wenn es nötig ist. Gleichzeitig erfahre ich, wie viel mehr die Bewohner von sich selbst geben, wenn sie sich vollständig angenommen fühlen. Es entsteht eine Beziehungsebene, die ich in dieser Form erst hier bei VivoMea erfahren darf. Die Mäeutik macht das möglich.“
Die Anwendung der Mäeutik bietet einen Mehrwert für Alle
Hinter der Anwendung des Mäeutischen Pflege- und Betreuungsmodells steht ein stabiles Netzwerk aus Fachwissen und ständigem Austausch. Nicht nur in der Bewohnerbesprechung, an der alle Pflegekräfte teilnehmen, sondern auch mit Hilfe der lückenlosen Dokumentation sämtlicher Informationen von Angehörigen, Freunden und Betreuungspersonen, kann sich jeder Mitarbeitende ein genaues Bild von den Menschen bei VivoMea machen und so ihr Wesen, ihr Verhalten, ihre Bedürfnisse und die geeignete Reaktion darauf, in einen sinnvollen Kontext stellen.
Über die medizinische Situation hinaus, wird jede Veränderung im Verhalten der Bewohner notiert und validiert. Welche Fortschritte wurden gemacht, welche Rückschritte? Haben sich die Bedürfnisse der Person verschoben? Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, damit dem Menschen geholfen werden kann? Müssen Anpassungen in der Ansprache oder im Umgang gemacht werden, in der Wohnsituation oder in der Tagesgestaltung? Dadurch, dass nicht nur die Pflegekräfte, sondern alle Mitarbeitenden bei VivoMea nach dem Mäeutischen Pflege- und Betruungsmodell aus- und fortgebildet werden, weiß jeder hier etwas mit den Informationen anzufangen und stellt sein Verhalten dementsprechend auf die Person ein.
Die Stärke des VivoMea-Teams
Gerrit Hentschel fasst es in folgende Worte: „Ein schöner Nebeneffekt der mäeutischen Ausbildung aller im Team ist, dass man niemals die Verbindung zu den Bewohnern verliert. Davor hatte ich Angst, als ich mehr und mehr mit administrativen Aufgaben betraut wurde, denn ich bin Altenpfleger aus Leidenschaft und brauche den Kontakt zu den Menschen. Doch der Umgang mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern ist jedem Teammitglied – ob Pflegekraft oder Verwaltungskraft – nicht nur erlaubt, sondern er wird bewusst gefördert. Dadurch kann ich auch noch meiner Herzensaufgabe nachgehen, obwohl ich momentan relativ viel Zeit am Schreibtisch verbringe. Überhaupt sind alle im Team auf dem gleichen Stand und jeder versteht die Dokumentation. Das stärkt unseren Zusammenhalt, macht sämtliche Abläufe im Betrieb transparent und leichter verständlich und perfektioniert nebenbei das Qualitätsmanagement.“
Nach der Meinung von Gerrit Hentschel sollte die Mäeutik allgegenwärtig sein, weil sie so ziemlich alles verbessert. Seine Arbeit orientiert sich nun ausschließlich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an festgeschriebenen Krankheitsbildern. Er arbeitet lösungsorientiert auf der Basis von Tatsachen und reitet nicht mehr auf Problemen herum. Zum Beispiel werden die körperlichen Beschwerden der Bewohnerinnen und Bewohner zwar medizinisch und therapeutisch behandelt, doch nicht in den Vordergrund gestellt. Stattdessen sorgt er und das ganze Team bei VivoMea jeden Tag aufs neue für das mentale Wohlergehen der ihnen anvertrauten Menschen, indem er selbst in jeder Situation entscheidet, was zu tun oder zu unterlassen ist. Er sieht die Bewohner nicht länger als Kranke sondern als Individuen, deren Biografie sie einzigartig macht. Er versteht ihre Nöte und was sie ausdrücken wollen, obwohl ihnen manchmal die sprachlichen Mittel dafür fehlen.
Obwohl er sich schon immer gut in Andere hinein fühlen konnte, hat er erst bei VivoMea gelernt, sich dabei nicht zu verlieren. Er liebt ganz besonders das mäeutische Prinzip der suchenden Reaktion: „Ich lerne immer schneller zu erfassen, was in der jeweiligen Situation gerade angebracht wäre. Mit dem Hintergrundwissen über die Person, dem bewusst Sein meiner eigenen Empfindungen und der mäeutischen Lehren im Rücken, fühle ich mich sehr viel selbstsicherer als früher. Ich kann im Pflegealltag mein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen einsetzen und trotzdem fundierte Entscheidungen treffen. Die Arbeit nach Schema F hat mir nie zugesagt und ist zum Glück Geschichte.“
Die Arbeit mit der Mäeutik – ein großer Schritt in die richtige Richtung
Die enormen Vorteile der Mäeutik im Pflege- und Betreuungsalltag haben den ehemaligen Pflegewissenschaftler inzwischen vollkommen überzeugt. Empfand Gerrit Hentschel das Erlernen der mäeutischen Grundprinzipien anfangs noch schwer, erfährt er nun täglich, wie viel einfacher der Arbeitsalltag geworden ist. Sogar in seinem Privatleben schenkt ihm die Mäeutik mehr Leichtigkeit, denn im Umgang mit seinen Kindern spart er Zeit und Nerven, wenn er das gelernte anwendet.
Gerne will er deshalb seine berufliche Zukunft auf der Mäeutik aufbauen – und hofft auch darauf, wieder mehr wertvolle Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern bei VivoMea verbringen zu können.
Mit Gerrit Hentschel sprach unsere Autorin Thekla Leinemann